Dank Commons unser Leben neugestalten

Das Buch «Nach Hause kommen – Nachbarschaften als Commons» stellt mögliche Werkzeuge für eine enkeltaugliche Welt und das Zusammenleben der Menschen darin vor. Vision oder (schon) Realität?

Pascal Mülchi

Autoren aus dem Umfeld des Vereins Neustart Schweiz haben 2016 ein Sachbuch herausgegeben, das nur so vor Ideen strotzt. Darin legen sie dar, wie die Welt neugestaltet und wie die Nachbarschaft zum grundlegenden Fundament unseres Zusammenlebens werden soll. Auf 160 Seiten wird eine auf Commons basierende Vision dargelegt.

Commons sind gemeinsam hergestellte, gepflegte und genutzte Produkte und Ressourcen unterschiedlicher Art. Sie können universell (z.B. ein Ozean) aber auch lokal (z.B. ein einzelnes Gewässer) sein, werden von einer Gemeinschaft von Menschen erhalten und sind durch Regeln der Selbstorganisation geprägt. Böden, Saatgut, aber auch Open-Source-Software, Wikipedia oder das Internet sind Commons. Grundsätzlich kann alles zum Commons werden. Wie die Commonsforscherin Silke Helfrich in ihrem Schlusswort darlegt, soll das Sachbuch die Fähigkeit vermitteln, das Ganze und das Künftige in den Blick zu nehmen und im Zirkel der eigenen Selbstwirksamkeit anzufangen.

Die Autoren schlagen zur Neuorganisation fünf Module vor: Nachbarschaften, Quartiere, Städte, Regionen und Territorien. Diese Aufteilung ist als Raumplanungskonzept angedacht, worin jedes Modul seine spezifischen Funktionen erfüllt. Die Nachbarschaft als Kern beispielsweise besteht aus 500 Menschen, die einen ökologisch nachhaltigen und sozial verträglichen Wohnstil pflegen und ihre Lebensmittelversorgung dank einer Landbasis sicherstellen kann. Für alle Module gelten die Handlungsmaxime Teilen statt Tauschen und Zusammenarbeiten statt Übervorteilen.

Auf den ersten Blick mag das zwar abstrakt und durchorganisiert daherkommen, doch in der Realität sollen sich die Commons vermischen. Wäre da nicht das Kapitel Konkrete Projekte, das bereits bestehende oder geplante Nachbarschaftsprojekte vorstellt, würde die Vision etwas realitätsfremd daherkommen. Dem Lesenden wird so aber die Machbarkeit des Geschilderten vor Augen geführt: Ja, es ist mäglich, wir können die Welt umgestalten! Dieser Machbarkeit wird Kraft verliehen, wenn im Buch in der Wir-Form geschrieben wird, womit der Lesende direkt involviert ist.

Dank des Kapitels «Gesellschaft im Übergang» wird die Vision dem aktuellen Zeitgeist gegenübergestellt. Wie sollen wir den Zusammenbruch des dominierenden Wirtschaftssystems lustvoll gestalten? Wie sieht ein ökologisch enkeltaugliches Konsummuster aus? Wie hilft uns dabei die «Planetary Boundary Allowance» (PBA’06)?

Ein sehr hilfreiches Glossar mit Begriffen wie Subsistenz, Suffizienz, Resilienz etc. rundet das gut lesbare Sachbuch ab und regt an, sich mit den dieser Vision zugrundeliegenden Begriffen auseinanderzusetzen.

Das Sachbuch ist all jenen zu empfehlen, die dem aktuellen Zeitgeschehen kritisch gegenüberstehen, Alternativen selbst gestalten wollen und – ganz wichtig – den Sinn für Visionen haben. Es ist der Versuch, die Welt und unser Zusammenleben mit konkreten Werkzeugen und Massnahmen umzugestalten, und so einen nachhaltigeren Lebensstil dank Commons zu fördern.

Mehr zum Buch

Pascal Mülchi (32) ist Freiberufler und passionierter Gärtner. Aktuell macht er einen MA en Traduction in Genf (F/D) und zieht Ende März ins Ökoquartier nach Meyrin. Mehr auf pascoum.net